Die Luft ist angenehm, kühl. Auf der Haut liegt ein Film von Schweiß und die Musik wummert durch die Nacht. Es könnte ein Sommer sein, wie jeder andere. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Welt ist geprägt von einer Seuche und das Wort Eindämmungsverodnung sorgt auf den meisten Gesichtern nurnoch für ein müdes Lächeln. Trotzdem ist das, was hier passiert, illegal. Doch ist es auch illegitim?
Die Influenza tötet in Europa jedes Jahr Tausende, sogar Zehntausende Menschen. Aber gibt es deswegen Ausschreitungen? Dieses Niveau an Mortalität ist für die Menschen offenbar akzeptabel. Niemand findet das gut, aber alle tolerieren es. Wenn eine Gesellschaft jedoch den Zusammenbruch ihrer Intensivmedizin erlebt wie derzeit in New York City, dann ist eine rote Linie überschritten. Irgendwo dazwischen – der akzeptierten Mortalität durch Influenza und dem großen Sterben in New York – liegt das wahre Akzeptanzniveau der Gesellschaft.
Quelle:
Gabriel Leung im Interview mit dem Spiegel, zitiert nach Martin Fehrensen
Schick mal die Koordinaten!
Ein Rave ist eine besondere Form der Solidarität. Jedes mal bildet sich aufs neue eine eingeschworene Gemeinschaft, die eine Nacht lang hält. Ob mit bekannten Gesichtern oder fremden, nie kommt exakt die selbe Gemeinschaft nochmal zusammen. Alle verbindet die Musik und die Extase.
Doch inwiefern kann Feiern zur Zeit einer weltweiten Corona-Pandemie
solidarisch sein?
Auf die Frage, wann man mal wieder in einem Club tanzen könne, sagte der Ministerpräsident in dem Interview: "Das dauert. Denn da ist die Ansteckungsgefahr einfach mit am höchsten." Er fügte hinzu: "Aber Sie können ja zum Beispiel zu Hause mit Ihrer Partnerin tanzen."
– Markus Söder auf einer Pressekonferenz am 30.06.2020
Als eine Gruppe Anfang dreißig anfängt, auf einer zur Sitzfläche umfunktionierten Europalette, sich eine Line auszulegen, näher ich mich langsam.
Ob man cool damit sei, wenn ich Privatsphärefreundliche Bilder für’s Fotoalbum schießen würde?
„Hm. Eigentlich nicht.“
Später unterhalten wir uns noch freundlich und tauschen Kontaktdaten aus.
Es kann niemand ernsthaft glauben, dass Partys durch noch so strikte Eindämmungsverordnungen zum Erliegen kommen.
Das sagt natürlich erstmal nichts über deren Legitimität aus. Allerdings die Frage, ob man Infektionsherde in den Untergrund schieben möchte, wo man nur sehr bedingt auf Kooperation bei der Kontaktnachverfolgung bauen kann, wo jede Teilnahme an einer sog. Corona-Party theoretisch juristische und damit auch erhebliche finanzielle Konsequenzen haben kann.
Ich fühle mich vielerlei unwohl, als ich meine Kamera zücke, um auf der Party zu fotografieren.
Einerseits stellen Partys insbesondere in der linken Szene den Selbstanspruch in den Raum ein Safe Space zu sein. Clubs wie bspw. das Berghain oder das IFZ haben eine strikte Policy, die keine Bilder innerhalb der Clubs erlaubt. Sie soll einen Raum ohne Verbindung zur „realen Welt“ ermöglichen.
Andererseits habe ich Monate lang nicht mehr auf einer gediegenen Tanzveranstaltung verbracht. Aus gutem Grund. Doch jetzt wippt mein Fuß.
Sören Engels
MultiMedia & Autorschaft
Mansfelder Straße 56
06108 Halle (Saale)
Vielen Dank an Evi Lemberger für die Unterstützung bei der Realisierung des Projekts
Weitere Projekte zum Thema Transformation und Corona finden sich auf der Website des Studiengangs MultiMedia & Autorschaft.